Amokfahrt in Trier: Tatverdächtiger sagt aus

Das Fahrzeug (rechts), mit dem der Täter in der Trierer Innenstadt mehrere Menschen angefahren und getötet hat.  Foto: Trierischer Volksfreund

In Trier überfährt ein Mann mit einem Auto mehrere Menschen: Fünf von ihnen sterben, darunter ein Baby. Es gibt Hinweise auf eine psychische Erkrankung des Mannes.

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TRIER. Nach der Amokfahrt in der Trierer Innenstadt mit fünf Toten hat der dringend Tatverdächtige laut Polizei ausgesagt. "Er spricht mit uns", teilte ein Polizeisprecher am Mittwochmorgen mit. Zu den Inhalten der Aussage könne man aber keine Angaben machen. Der 51-Jährige sollte demnach am Vormittag einem Haftrichter vorgeführt werden. Nach ersten Erkenntnissen der Staatsanwaltschaft gibt es Hinweise auf eine mögliche psychische Erkrankung des Mannes. Die Justizbehörde muss daher noch entscheiden, ob sie Untersuchungshaft beantragt oder die Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Einrichtung.

Ein eigens eingerichtetes Hinweistelefon sei mittlerweile wieder abgeschaltet worden, Zeugen könnten sich aber unter einer anderen Nummer bei der Polizei melden. Zudem bat die Polizei die Menschen, Fotos und Videos nicht in den Sozialen Medien zu teilen sondern in einem dafür eingerichteten Hinweisportal hochzuladen.

Der 51-Jährige hat bei einer Amokfahrt mit einem Sportgeländewagen in der Trierer Innenstadt fünf Menschen getötet, darunter ein neuneinhalb Wochen altes Baby. 14 Menschen erlitten teils schwere Verletzungen. Die Polizei nahm unmittelbar nach der Tat den Deutschen aus dem Kreis Trier-Saarburg fest. Hinweise auf einen politischen Hintergrund gab es zunächst nicht. Das Motiv des Täters ist unklar.

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Täter fuhr "Zickzacklinien"

Nach Angaben von Lewentz war bisher kein Bekennerschreiben des Amokfahrers gefunden worden. Bei der Aufklärung komme es nun auf die Vernehmungen und die Bereitschaft des Verdächtigen an, seine Motive offenzulegen. Derzeit gingen die Ermittler davon aus, dass der Amokfahrer ohne organisierten Hintergrund gehandelt habe. Es gebe auch weiter keine Hinweise auf ein politisches Motiv. Der Mann hat der Polizei zufolge ausgesagt. "Er spricht mit uns", teilte ein Polizeisprecher mit. Zu Inhalten könne man aber zunächst keine Angaben machen.

Unterdessen hat die Polizei in Trier die Absperrung von großen Bereichen der Innenstadt aufgehoben. "Die Stadt ist wieder frei", sagte ein Polizeisprecher. Es werde zwar noch weitere Ermittlungen in geben, dafür seien aber keine Absperrungen mehr erforderlich. Minister Lewentz sagte, es wäre schwierig, eine Großstadt so abzusperren, dass man mit einem Fahrzeug nirgendwo Menschen angreifen könnte. "Eine Fußgängerzone ist allein deswegen befahrbar, weil natürlich dort viele Geschäfte sind, die permanent Lieferverkehre bekommen." Diese Bereiche müssten auch für Rettungsfahrzeuge offen sein.

"Dieses Ereignis erschüttert ganz Deutschland", sagte der rheinland-pfälzische Innenminister Roger Lewentz (SPD) am Dienstagabend in Trier. Der Täter sei gezielt vorgegangen und "Zickzacklinien" gefahren, um Leid zuzufügen. Das sei in ganz schlimmem Maße geschehen.

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Was Bekannte des mutmaßlichen Täters über ihn berichten, lesen Sie hier: Hat der mutmaßliche Täter von Trier psychische Probleme?

Zu den Opfern zählen neben dem Baby eine 73 Jahre alte Frau, eine 25-Jährige, eine 52 Jahre alte Frau und ein 45 Jahre alter Mann aus Trier. Die Mutter des Babys liegt den Behördenangaben zufolge im Krankenhaus. Über den Tod der 52-Jährigen informierte die Polizei am späten Dienstagabend. Bundeskanzlerin Angela Merkel zeigte sich in einer Stellungnahme tief betroffen.

Die Trierer Innenstadt nach der Amokfahrt. Foto: Trierischer Volksfreund
Die Trierer Innenstadt nach der Amokfahrt. (© Trierischer Volksfreund)

Der erste Notruf war um 13.47 Uhr eingegangen, wie Franz-Dieter Ankner, Vizepräsident des Polizeipräsidiums Trier sagte. Die Amokfahrt über mehrere Straßen dauerte vier Minuten, ehe der Tatverdächtige, der Widerstand leistete, festgenommen wurde.

"Wir haben ein klares Bild von dem Verdächtigen", sagte Lewentz, der von einem schrecklichen Tag sprach. Ankner ergänzte, der Mann habe die vergangenen Tage in einem Auto verbracht. Laut Oberstaatsanwalt Peter Fritzen gibt es Anhaltspunkte für ein psychisches Krankheitsbild. Ein Arzt habe den Mann begutachtet, es werde vermutlich ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag gegeben. Bei dem Mann wurden 1,4 Promille Atemalkohol festgestellt.

Ermittelt werde wegen Mordes in vier Fällen und gefährlicher Körperverletzung in einer ganzen Reihe weiterer Fälle. "Wir gehen davon aus, dass er bei dem Angriff in der Innenstadt heimtückisch handelte, das Fahrzeug als Waffe benutzt hat und deshalb mit gemeingefährlichen Mitteln handelte", sagte Fritzen.

Kanzlerin spricht Anteilnahme aus

Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sprach am Abend von einem "schlimmen und schrecklichen Tag". Oberbürgermeister Wolfram Leibe (SPD) sprach im Interview mit dem SWR von einem "Amokfahrer in der Innenstadt". Augenzeugen berichteten, dass am Ort des Vorfalls nahe der Porta Nigra Menschen durch die Luft geschleudert worden seien.

"Die Nachrichten aus Trier machen mich sehr traurig", heißt es in einer Stellungnahme der Kanzlerin, die Regierungssprecher Steffen Seibert am Dienstag via Twitter veröffentlichte. "Meine Anteilnahme gilt den Angehörigen der Menschen, die so jäh und gewaltsam aus dem Leben gerissen wurden. Ich denke aber auch an diejenigen, die zum Teil schwere Verletzungen erlitten haben und wünsche ihnen viel Kraft."

Vier Menschen erleiden schwere Verletzungen

Mitten an einem ganz normalen Tag seien Menschen aus dem Leben gerissen worden, sagte Dreyer. "Das ist einfach sehr schlimm für uns alle." Sie sei mit ihren Gedanken bei den Verletzten und Schwerverletzten und hoffe und bete, dass sie überlebten und gesundeten. Vier Menschen hätten schwere Verletzungen erlitten, fünf erhebliche Verletzungen, und sechs Menschen seien leicht verletzt worden, sagte Lewentz (SPD). Zahlreiche Menschen in der Innenstadt seien zudem traumatisiert worden.

Rund 300 Helfer von Feuerwehr, Rettungsdiensten und anderen Hilfsorganisationen waren im Einsatz. Dieser habe im Ablauf sehr gut funktioniert, die Opfer seien rasch versorgt worden, berichtete der Leiter der Berufsfeuerwehr Trier, Andreas Kirchartz. Die Kliniken in der Stadt hätten sofort auf Notfallbetrieb umgeschaltet, die Patienten hätten unmittelbar dorthin gebracht werden können. Lewentz sagte, dass außerdem rund 450 Polizisten im Einsatz waren.

Die rheinland-pfälzischen CDU-Politiker Julia Klöckner und Christian Baldauf äußerten sich schockiert und betroffen. Sie seien erschüttert über die "Amokfahrt", teilten die CDU-Landeschefin und der CDU-Landtagsfraktionschef mit. "Unsere Gedanken sind bei den Verletzten vor Ort. Wir trauern mit den Angehörigen der Toten", erklärten sie. "Wir danken den Helfern und Rettungskräften für ihre Arbeit. Jetzt gilt es die weiteren Ermittlungen abzuwarten."

Im Februar hatte im nordhessischen Volkmarsen ein 29 Jahre alter Deutscher sein Auto absichtlich in die Menge gesteuert. Dutzende Menschen wurden verletzt. 2019 hatte ein 50-Jähriger in Bottrop in der Neujahrsnacht gezielt Menschen angefahren. Er wurde in die geschlossene Psychiatrie eingewiesen. In Münster war 2018 ein Mann mit seinem Campingbus in eine Gruppe gerast, es gab fünf Tote. Der Täter erschoss sich, die Ermittler gehen von einer psychischen Erkrankung aus.

Rettungskräfte aus der ganzen Region waren im Einsatz. "Alle sind damit beschäftigt, Verletzte und Schwerstverletzte im Moment in die Krankenhäuser zu bringen", äußerte Oberbürgermeister Leibe. Er sei nach dem Vorfall durch die Innenstadt gelaufen. "Es war einfach nur schrecklich", sagte er und schilderte, wie er einen Turnschuh gesehen habe." Es war einfach schrecklich: Da steht ein Turnschuh, das Mädchen dazu ist tot", berichtet er in einer improvisierten Pressekonferenz.

In einer spontanen Pressekonferenz nahmen Polizeisprecher Karl-Peter Jochem und OB Wolfram Leibe Stellung. Hier die Aufzeichnung der Live-Übertragung des Trierischen Volksfreunds.

Auch ein Großaufgebot der Polizei war im Einsatz. Der ADAC schickte Rettungshubschrauber, ein Verletzter wurde nach Wittlich geflogen. Große Teile der Innenstadt waren abgesperrt. Nach der Festnahme bestehe keine Gefahr mehr für die Bevölkerung, teilte die Polizei mit.

Glocken in allen Trierer Kirchen sollen läuten

Der Trierer Bischof Stephan Ackermann hat nach der Amokfahrt zum gemeinsamen Gebet in den Dom der Stadt eingeladen. "Ich bin zutiefst schockiert über die Amokfahrt, die quasi vor unserer Haustür passiert ist", sagte Ackermann am Dienstag. Um 20 Uhr solle für die Opfer, ihre Angehörigen, für die Einsatz- und Rettungskräfte und alle, die von diesem schrecklichen Vorfall betroffen seien, gebetet werden. "Schon jetzt ist der Dom zum Gebet geöffnet." Auch Notfallseelsorgerinnen und -seelsorger des Bistums seien im Einsatz. Ebenfalls sollten um 20 Uhr die Totenglocken in allen Trierer Kirchen läuten.

Die Polizei hat ein Hinweisportal eingerichtet. Die Ermittler bitten Augenzeugen per Twitter, dort Fotos oder Videos von der Tat hochzuladen. Hinweise und Informationen für Angehörige möglicher Verletzter gibt es unter der Nummer 0800-6565651.

Wir berichten weiter.

Von dpa/red