Rückblick statt Ausblick: Regierungserklärung von Malu Dreyer
Die Regierungserklärung von Malu Dreyer ist eher ein Rückblick auf Corona, denn sie hat nichts anzukündigen. Die Fraktionen wagen einen unsicheren Blick voraus.
RHEINLAND-PFALZ. Ende April hatte Malu Dreyer ein paar Lockerungs-Ankündigungen in den Landtag mitgebracht. Mit der Aussicht auf Erleichterungen für Geschäfte, Friseure und Kirchen hatte die Regierungschefin damals ganz viel Tempo aus der Corona-Debatte genommen.
Vier Wochen später ist Rheinland-Pfalz im Wiederhochfahren-Modus und es gibt (fast) nichts mehr anzukündigen. Statt dessen lieferte Dreyer am Mittwoch einen gepflegten Blick zurück, die Fraktionen einen unsicheren Blick voraus. Dazu ein bisschen Wahlkampfrhetorik – im Ergebnis erlebte das Ausweichquartier Mainzer Rheingoldhalle bei seinem Plenum-Debüt eine eher lustlose Debatte im Niemandsland zwischen Lockdown, Lockerung und Losungen.
Mehr Normalität wagen – aber ohne Leichtsinn
„Wir können mehr Normalität wagen. Wir können mutig sein. Aber wir dürfen nicht übermütig werden“, fasste Dreyer ihre Tour d’Horizon durchs Corona-Land zusammen. „Normaler Kitabetrieb“ bis zu den Sommerferien und „regulärer Unterricht in den Schulen“ direkt danach – mehr Konkretes zu Lockerungen ließ sich Dreyer diesmal nicht entlocken.
Mit der Teflon-Attitüde der souveränen Landesmutter machte es Dreyer Christian Baldauf schwer. Der CDU-Oppositionschef hatte im Vergleich zur letzten Aussprache seine Waffen geschärft, verströmte mehr Angriffslust, ohne indes zu Wirkungstreffern zu kommen. Als „Politik auf den letzten Drücker“ geißelte Baldauf die jüngsten Regierungsschritte, schimpfte in Sachen Freibad-Opening über „Konfusion am Beckenrand“ und attestierte FDP-Wirtschaftsminister Volker Wissing, „geistig auf dem Absprung“ nach Berlin zu sein. Ausführlich nahm Baldauf die Bildungspolitik aufs Korn: „Lehrer, Eltern und Schüler brauchen klare Vorgaben, und das rechtzeitig vor den Sommerferien.“
Die Disziplin „Wind aus den Segeln nehmen“ beherrscht Baldauf auch: „Mit uns wird es keine Absenkung des Mindestlohns geben.“ Eine Replik auf Dreyer, die Alexander Schweitzer aber offenbar nicht ausreichte. „Märchenstunde, Wahlkampfrede aus grobem Holz, aber keine Haltung“, bellte der SPD-Fraktionschef Baldauf entgegen. Erneut ätzte Schweitzer, der CDU-Kandidat erzeuge Weltuntergangsstimmung fernab jeder Realität: „Man muss in diesen Zeiten zu seinen Positionen stehen – wenn man denn welche hat.“
Anders als in der April-Debatte, biss sich FDP-Fraktionschefin Cornelia Willius-Senzer diesmal nicht an Baldauf fest, beließ es bei einer relativ milden Parade-Riposte zu dessen Kritik an den Wirtschaftshilfen. Stattdessen mahnte sie einen Perspektivwechsel im Sinne der Freiheit an: „Wir feiern in dieser Krise zu sehr das Lockernde.“ Jede Öffnung werde wie ein Geschenk gefeiert, „das halte ich für den falschen Ansatz“.
Junge schont Dreyer und klagt über Baldaufs „Tirade“
Dafür erntete Willius-Senzer Zuspruch von der AfD, deren Frontmann Uwe Junge sich ansonsten in Macht-hoch-die-Tür-Rhetorik übte: Alles öffnen, was geht – die Kollateralschäden seien größer als der Nutzen, für weitere Einschränkungen fehle die Daten- und Faktenbasis. Ein 500-Millionen-Euro-Konjunkturprogramm hatte Junge auch im Forderungskatalog, ansonsten gab sich der scheidende Fraktionschef gegenüber Dreyer & Co. überraschend milde: „Es war nicht alles falsch.“ Kein Grund für Baldaufs „Tirade“.
Der CDU-Mann bekam auch von Bernhard Braun sein Fett weg. „Ich weiß nicht, wo Baldauf seine Gelddruckmaschine stehen hat“, fragte der Grünen-Fraktionschef süffisant. „Wir können nur Geld ausgeben, das wir haben oder verantwortungsvoll aufnehmen können.“ Wie die Corona-Krise zu überwinden und welche Lehre aus ihr zu ziehen ist, soll übrigens nun eine Enquete-Kommission erörtern, die gegen die Stimmen der AfD eingesetzt wurde. Sie dürfe aber nicht als Untersuchungsausschuss missbraucht werden, mahnten Willius-Senzer und Braun, nachdem Junge genau das angeregt hatte.
Dabei ist die Corona-Aufarbeitung doch längst angelaufen. Man nennt es auch: Wahlkampf.
Von Ulrich Gerecke