Nach der Flutkatastrophe an der Ahr haben die VRM-Leser 2,7 Millionen Euro gespendet: Die größte Spendenaktion in der Geschichte der Zeitung.
. Es war die größte Naturkatastrophe, die Deutschland bisher heimgesucht hat: Die Flutkatastrophe, die das Ahrtal in der Eifel vom Oberlauf bis zur Rheinmündung auf unbeschreibliche Weise verwüstet hat. 134 Menschen sind in der Nacht vom 14. auf den 15. Juli 2021 allein im Ahrtal ums Leben gekommen. Hunderte von Häusern wurden weggerissen – Straßen, Eisenbahnlinien, Brücken, Klärwerke, Abwasserleitungen und alles andere ebenfalls. Milliardenschäden, deren komplette Beseitigung gewiss mehr als ein Jahrzehnt benötigen wird.
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Wenige Tage nach der Katastrophe trifft der Reporter Friedheim und Grit Bauer vor den Trümmern ihrer Existenz. Ihr Haus im Ortskern von Ahrbrück liegt hinter ihnen – zusammengefallen wie ein Kartenhaus. In der Flutnacht sind der Postbote und die Sozialarbeiterin dem Tod regelrecht von der Schippe gesprungen: Nachdem sich die beiden auf das Dach retten mussten, hatte Friedhelm Bauer die Eingebung, dass das Fachwerkhaus nebendran stabiler sein könnte als ihr gemauertes Nachkriegshaus. Zwei Minuten nachdem sie sich hinüber gerettet hatten, brach ihr eigenes Haus unter dem „Beschuss“ von Autos, Wohnwagen und Baumstämmen zusammen.
Grit und Friedhelm Bauer gehörten zu den ersten Spendenempfängern, für die die Zeitungsleser der VRM gesammelt hatten. 2,7 Millionen Euro Spenden kamen in nur zehn Wochen zusammen. Es war nicht nur die größte Spendenaktion, die die Allgemeine Zeitung und ihre Partnertitel unter dem Dach der VRM je ins Leben gerufen hatten. Nie zuvor ist das Geld auch so schnell an die Bedürftigen ausgezahlt worden. In diesem Fall weit vor der Zeit, bevor sich die großen Hilfsorganisationen in der Lage sahen, Spenden auszuzahlen. Die Milliardenhilfen von Bund und Ländern sind zu großen Teilen bis heute noch nicht geflossen.
Am Anfang stand der Zweifel, welchen Sinn überhaupt eine eigene Spendenaktion der Zeitungen machen würde. „Deutschland hilft“, der Verbund der Wohltätigkeitsorganisationen war bereits am Start. Die Kontonummer wurde im Fernsehen zu jeder Nachrichtensendung eingeblendet. Eine eigene Spendenaktion für ihre Leser wollten die Zeitungen der VRM nur dann aufziehen, wenn sie garantieren könnten, wo genau das Geld hinfließt. Und wenn die Zeitung Partner finden würde, die den Menschen, die meist alles verloren hatten, auf schnellstmögliche Weise Ersthilfe gewähren würden.
Wenige Tage nach der Katastrophe ergab sich ein Kontakt zwischen der Chefredaktion und den beiden Ortsbürgermeistern von Ahrbrück und Hönningen, zwei kleinen Gemeinden an der mittleren Ahr. Sieben Menschen waren in der Flutnacht allein in diesen beiden Orten ums Leben gekommen. Das Bild der Verwüstung auch hier verheerend. Bis hierher waren die Scheinwerfer der Fernsehkameras allerdings noch nicht vorgedrungen. Dass die Leser der VRM-Zeitungen gezielt den Menschen in ihren Ortschaften helfen sollten, begeisterte die ehrenamtlichen Bürgermeister. Sie verbürgten sich dafür, dass die Spenden im Sinne von Ersthilfen so schnell wie möglich ausgezahlt werden würden. Und dass ihre Gemeinderäte so schnell wie möglich einen Kriterienkatalog erarbeiten würden: Darin werde festgelegt, welchen Opfergruppen wie stark geholfen werden sollte. Die Gemeine Ahrbrück ließ ein eigenes Spendenkonto einrichten.
Nicht nur das Schicksal von Friedhelm und Grit Bauer sorgte dafür, dass die Spenden in einer Größenordnung flossen, die weder die Zeitung noch die Bürgermeister erwartet hatten. Nach zehn Tagen war die erste Million erreicht. Nach vier Wochen die zweite. Und nach acht bis zehn Wochen war der Endstand von gut 2,7 Millionen Euro Spendengeld erreicht.
Obwohl die ehrenamtlichen Bürgermeister Tag und Nacht im Einsatz waren, war auch der Kriterienkatalog für die Ersthilfen wenige Tage nach Start der Spendenaktion aufgestellt. 2000 Euro bis zu 10 000 Euro sollten zunächst je Haushalt ausgezahlt werden – je nachdem, wie groß der Schaden war, wie die soziale Bedürftigkeit der Opfer war und wie viele Personen zum Haushalt gehörten. Die Bürgermeister der jeweils rund 1200 Einwohner zählenden Ortschaften und die von ihnen zusammengerufenen Ehrenamtler bürgten dafür, dass sie alle Flutopfer in ihren Gemeinden persönlich kannten. So war es möglich, dass die ersten Geldspenden der VRM-Aktion bereits rund 14 Tage nach der Flutkatastrophe ausgezahlt werden konnten. Es ist keine weitere Spendenaktion bekannt, die so schnell Ersthilfen an Hunderte von Flutopfern auszahlen konnte.
Nachdem die VRM-Leser so kräftig spendeten, waren es die Bürgermeister selbst, die vorschlugen, die Hilfs-Aktion auf die ebenso hart getroffenen Gemeinden Altenahr (1900 Einwohner), Kirchsahr (400 Einwohner) und Rech (550 Einwohner) auszuweiten. Auch hier waren die Spenden der VRM-Leser die ersten Hilfsgelder, die die Flutopfer erreichten.
Mehreren Hundert Flutopfern konnte so schnell und wirklich mal unbürokratisch geholfen werden. Vor allem aber spendeten die Zeitungsleser erste Hoffnungsschimmer in einer kaum zu überschauenden Katastrophe. „Dass Ihr damals um die Ecke gekommen seid, war wie der Wink eines Engels“, sagt rückblickend Ahrbrücks Bürgermeister Walter Radermacher. „Gib das doch nochmal an Eure Leser weiter“, bittet er in der eifeltypisch kumpeligen Satzmelodie.