Putins inoffizielle Armee

Russland gibt jährlich 55 Milliarden Euro für seinen Verteidigungsetat aus – und verlässt sich doch auf inoffizielle Verbände. Foto: dpa

Der Kreml setzt die sogenannte Söldnertruppe Wagner für seine Zwecke ein – mit gemischtem Erfolg.

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ISTANBUL. Ein Militärkonvoi im Dienst des syrischen Staatschefs Baschar al-Assad rückte im Februar 2018 bei Deir Ezzor in Richtung Osten vor. Die Truppen überquerten den Euphrat, der die Grenze zwischen dem russischen und dem amerikanischen Einflussgebiet in Syrien bildet, um Ölquellen im amerikanischen Sektor einzunehmen. Sie griffen Posten der US-Militärs an, doch sie kamen nicht weit. US-Kampfflugzeuge töteten mindestens 200 der Angreifer. Das Gefecht war der erste größere Zusammenstoß zwischen amerikanischen und russischen Verbänden seit dem Ende des Kalten Krieges, denn rund 100 Todesopfer waren russische Staatsbürger: Söldner der Kreml-nahen Sicherheitsfirma Wagner.

Russland hat eine Million Soldaten und gibt jedes Jahr 55 Milliarden Euro für seinen Verteidigungsetat aus – doch manchmal verlässt sich der Kreml lieber auf inoffizielle Verbände. Das Unternehmen Wagner ist in den vergangenen Jahren zu einem Instrument der russischen Außenpolitik geworden; USA und EU haben Sanktionen gegen die Söldner-Firma erlassen. Auch in der Ukraine sollen derzeit Wagner-Söldner im Einsatz sein. Sie haben einen Ruf als gut ausgerüstete und brutale Kämpfer. Doch eine Wunderwaffe sind sie für Wladimir Putin nicht: Manchmal bescheren sie dem Kreml mehr Ärger als Erfolge.

Schon im russisch-ukrainischen Krieg von 2014, als Moskau die Halbinsel Krim annektierte, waren Wagner-Söldner dort im Einsatz. In den vergangenen Wochen wurden Wagner-Kämpfer nach Medienberichten aus Nahost und Afrika abgezogen und in die Schwarzmeer-Region gebracht. Die Militärs in Kiew teilten mit, Wagner-Trupps seien vor Kriegsausbruch in die Ostukraine verlegt worden. Die britische „Times“ meldete, Wagner-Söldner und ein tschetschenisches Killerkommando hätten in den vergangenen Tagen mehrmals versucht, den ukrainischen Präsidenten Wolodomir Selenskij zu töten.

Söldner werden von Regierungen angeheuert, um Aufträge zu erledigen, für die reguläre Streitkräfte keine Kapazitäten haben oder die politisch heikel sind. Unternehmen wie Wagner haben für ihre staatlichen Auftraggeber den Vorteil, dass sich Regierungen von ihnen distanzieren können, wenn etwas schiefgeht.

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Offiziell sind private Sicherheitsfirmen in Russland verboten, doch das 2014 gegründete Unternehmen Wagner operiert im Schutz des Kreml. Einige Tausend Söldner, die meisten von ihnen ehemalige russische Soldaten, sind bei Wagner beschäftigt. Zu ihren Einsätzen im Ausland fliegen sie in russischen Militärmaschinen und erhalten spezielle russische Pässe, wie die amerikanische Denkfabrik CSIS in einer Analyse erläuterte. Das Ausbildungszentrum der Firma im südrussischen Krasnodar liegt auf dem Gelände einer Kaserne von Spezialeinheiten des Militär-Geheimdienstes GRU.

Seinen Namen hat das Unternehmen vom Funkrufzeichen „Wagner“ des Ex-Offiziers Dmitri Utkin, einem ehemaligen GRU-Oberstleutnant, der als Bewunderer des Komponisten Richard Wagner und als Gründer der Firma Wagner gilt. Offiziell arbeitet Utkin für Jewgeni Prigoschin, einen Kreml-nahen Unternehmer, der wegen seines Catering-Unternehmens und seiner engen Verbindungen zum russischen Staatschef auch „Putins Koch“ genannt wird.

In Syrien unterstützen Utkins Truppen zusammen mit der russischen Armee das Regime von Präsident Assad, in Libyen kämpften Wagner-Söldner auf der Seite des Rebellen-Generals Khalifa Haftar. Die Zahl der Wagner-Kämpfer in der Zentralafrikanischen Republik wird auf mehr als tausend geschätzt. Dort und anderswo werden der Truppe schwere Verbrechen vorgeworfen. Ein UN-Bericht über Wagner-Söldner in der Zentralafrikanischen Republik listete Fälle von Folter, Vergewaltigungen und außergerichtlichen Hinrichtungen auf.

Mehrere Hundert Söldner in Mali

In Mali halten sich nach Angaben von US-Militärs mehrere Hundert Wagner-Söldner auf, wo sie von der seit 2020 herrschenden Militärjunta engagiert wurden. Als Frankreich, dessen Armee in Mali seit Jahren gegen islamistische Dschihadisten kämpft, die Regierung in Moskau nach dem Wagner-Einsatz fragte, antwortete der Kreml, er wisse von nichts. Paris kündigte aus Protest den Rückzug der französischen Truppen an. Damit ist der Weg frei für mehr russischen Einfluss – und für Wagner. Solche Erfolge sind für die Söldnertruppe allerdings eher die Ausnahme. Häufig erreichen ihre Einsätze nicht die von Russland gesteckten Ziele. Das Debakel des Vorstoßes vom Februar 2018 in Syrien ist nur ein Beispiel dafür.