Leichtathletik-EM: Niklas Kaul auf Gold-Kurs

Niklas Kaul bejubelt den starken ersten Tag. Foto: dpa

Der Mainzer Zehnkämpfer Niklas Kaul liegt nach Tag eins voll im Soll. Nach dem Aus von Favorit Kevin Mayer läuft es auf ein Duell mit dem Schweizer Simon Ehammer hinaus.

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MÜNCHEN. Am Ende eines langen Tages platzte es aus ihm heraus. Niklas Kaul ballte die Faust, reckte die Arme von sich und brüllte seine Freude heraus. Dann gab es eine Umarmung für Simon Ehammer. Mit dem Schweizer dürfte sich der Mainzer Zehnkämpfer am Dienstag einen packenden Kampf um Gold bei der Leichtathletik-EM in München liefern. 47,87 Sekunden über 400 Meter. Erstmals blieb Kaul unter 48 Sekunden. "Das macht mir fast ein bisschen Angst", konnte er seinen Lauf über die Stadionrunde selbst nicht fassen. Platz sieben nach dem ersten Tag - der Mainzer Zehnkämpfer ist voll auf Kurs und liegt in der Zwischenbilanz sogar 20 Punkte besser als bei seinem WM-Titel in Doha 2019.

Der Tag im Münchener Olympiastadion hatte schon vielversprechend begonnen. Über 100 Meter, eigentlich keine Lieblingsdisziplin des 24-Jährigen, sprintete Kaul zu einer neuen persönlichen Bestzeit. 11,16 Sekunden stand auf der Anzeigetafel des Münchener Olympiastadions - nie war der Mainzer schneller gewesen.

Nach seinem gelungenen Start ging der Blick auf seinen ärgsten Widersacher Kevin Mayer im dritten Lauf. Der Favorit, kürzlich in Eugene Weltmeister geworden, musste überraschend nach 60 Meter mit schmerzverzerrtem Gesicht aufgeben. Der Weltrekordler trudelte zwar noch mit 11,67 Sekunden ins Ziel, kündigte aber kurz darauf an, nicht mehr weiter antreten zu können. "Ich habe alles getan, um wieder wettbewerbsfähig zu sein", sagte der Franzose am Stadion-Mikrofon. Es sei aber besser vorzeitig aufzuhören, bevor sich eine Verletzung vergrößere.

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Mayers Tragik vergrößert die Medaillenchancen für Kaul und die deutschen Zehnkämpfer. Im Weitsprung konnte der 24-jährige Mainzer nicht ganz an seine fulminante 100-Meter-Leistung anknüpfen. 7,10 Meter - neun Zentimeter weniger als bei seinem bislang besten Zehnkampf bei seinem WM-Erfolg in Doha.

Dafür glückte ihm im Kugelstoßen ein Ausrufezeichen. 14,90 Meter im letzten Versuch. "Yes", brüllte er mit geballter Faust seine Freude heraus. Saisonbestleistung - so weit hatte der Athlet des USC Mainz schon lange nicht mehr die Kugel gestoßen. "Ich weiß nicht, ob er technisch gut war. Das war mehr der Wille", so Kaul nachher am ZDF-Mikrofon. Nach einem Mittagsschläfchen ging es am Abend weiter mit dem Hochsprung. Bei Olympia in Tokio verletzte sich der 24-Jährige in dieser Disziplin, musste letztlich mit dem Rollstuhl aus dem Stadion gebracht werden. Diesmal ging alles gut. Kaul meisterte 2,02 Meter souverän. Doch mehr war nicht drin. Einen dritten Versuch über 2,05 Meter ließ er sicherheitshalber aus. Die Erinnerungen an Tokio waren wohl noch präsent.

Kein Risiko eingehen, befand auch Papa Michael. "Wenn er sich nicht ganz sicher ist, dann hat es keinen Sinn", sagte er. "2,02 Meter sind okay, alles gut." Schließlich liegt Sohn Niklas nach dem starken 400-Meter-Lauf voll im Soll.

Schweizer Ehammer führt nach dem ersten Tag

Nach dem ersten Tag führt der Schweizer Ehammer (4661 Punkte), der nach dem Aus von Weltrekordler Mayer zum schärfsten Kaul-Konkurrenten aufgestiegen ist. Doch der 22-Jährige, der bei der WM in Eugene als erster Zehnkämpfer Bronze im Weitsprung holte, ist an Tag eins teilweise unter seinen Möglichkeiten geblieben und hat traditionell einen schwächeren zweiten Tag. Niklas Kaul liegt zur Halbzeit auf Platz sieben (4184 Punkte). Mit zwei Bestleistungen könne er "zufrieden schlafen", bilanzierte er. "Wir haben beide gemacht, was wir können. Jetzt geht es darum, wer macht die meisten Fehler", blickte Kaul in der Mixed Zone auf das Duell um Gold mit Ehammer. "Es ist schön, ab jetzt der Jäger zu sein."