Der Sportbund-Geschäftsführer wird täglich mit steigenden finanziellen Sorgen der rheinhessischen Sportvereine konfrontiert. "Es klingt alles düster, ist aber Realität", sagt er.
MAINZ. Mit einer Menschenkette durch den Stadtteil hat der Mombacher TV vor wenigen Tagen einen öffentlichen Hilferuf getätigt, weil den Verein durch die Folgen der Corona- und Energiekrise existenzielle Sorgen plagen. Diese teilen aktuell viele Sportvereine. Als Geschäftsführer des Sportbunds Rheinhessen ist Thorsten Richter für viele Clubs erster Ansprechpartner bei Problemen. Er spricht...
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... über die größten Probleme: "Die Vereine sind in enormer Alarmstellung. Gerade die 50 bis 60 Prozent der Vereine mit eigenen Sportanlagen trifft es sehr hart. Wir haben viele Felder, die uns weh tun: die Energiekrise, die erhöhten Strompreise, auch die Ungewissheit, wann die Energiemaßnahmen der Kommunen starten und in welchem Ausmaß sie kommen. Im schlimmsten Fall kann es zu einer Art Corona-Lockdown durch die Energiekrise kommen, befürchten die Vereine. Dazu haben in den vergangenen zwei Wochen vermehrt Vereine angerufen, die Beratungsbedarf mit Blick auf Zuschüsse für energetische Sanierungsmaßnahmen haben. Um im gebotenen Maße helfen zu können, müssten wir mehr Personal haben, denn Aktionen wie Rettungsschirm, Mitgliedergewinnungskampagne, Digitalisierung oder große Sportgeräteförderung laufen ja parallel zu unserem Tagesgeschäft auch, und wir schieben Hunderte Überstunden vor uns her."
... über die Gefahr, dass Sportvereine insolvent gehen: "Diese Gefahr für Vereine mit eigenen Sportanlagen ist groß. Der TSV Schott Mainz zum Beispiel erwartet für die nächsten Monate 200.000 bis 300.000 Euro Mehrkosten für Strom und Heizung. Der Verein hat den Mitgliederbeitrag bereits angehoben und kann da eigentlich nicht noch weiter erhöhen, weil es sonst die Mitglieder irgendwann nicht mehr mittragen. Und es gibt ja auch die kleineren Vereine mit eigenen Häusern, zum Beispiel Kanuvereine. Die haben teilweise nur 100 oder 200 Mitglieder und müssten den Mitgliederbeitrag dramatisch anheben, um ihr Haus weiter heizen zu können. Da müssen die Vereine sogar über Zusammenlegungen nachdenken, was Zentralisierung bedeuten würde. Aber wir wollen ja nicht, dass die Vereine aus den Ortsteilen und den Gemeinden rausgehen, weil sie dort oft tragende Säulen sind. Viele Vereine haben gut gewirtschaftet während der Corona-Zeit, mussten aber auch ihre Rücklagen aufbrauchen. Dieses Geld fehlt nun natürlich auch. Das klingt alles düster, ist aber die Realität."
... über die schwindende finanzielle Unterstützung von außen: "Wir haben aktuell eine Phase, in der keiner den anderen mehr stützen kann. Die Unternehmen können nicht noch mehr Geld ins Sponsoring geben. Bei ihnen sind wir schon froh, wenn sie das Sponsoring überhaupt aufrecht erhalten. Das Vereinsmitglied kann in der Regel nicht sagen: Okay, dann gebe ich dem Verein mehr Geld im Monat, wenn es selbst eine extrem gestiegene Gasrechnung bezahlen muss. Wir sind an dem Punkt, an dem der Sport unbedingt bei Entlastungspaketen mitberücksichtigt werden muss."
... über die Vorstellung, dass es zum Beispiel den Mombacher TV bald nicht mehr geben kann: "Ich traue es mich gar nicht, so etwas zu denken. Der Mombacher TV ist einer unserer am besten organisierten Vereine, kümmert sich überragend um alles. Und wenn ein solcher Verein kurz vor knapp steht, dann wissen wir, was die Uhr geschlagen hat. Bei der Menschenkette haben auch viele andere Vereine ihre Solidarität ausgedrückt, was zeigt, dass alle zusammenstehen. Aber der MTV hat große Hallen, und ob das Geld am Ende reicht, wenn keine Veranstaltungen darin stattfinden, ist schwierig zu sagen. Denkbar ist es, dass es einen solchen Verein trifft. Ich versuche es aber, im Kopf auszuschließen."
... über die Anzahl der Schwimmbäder und Wasserflächen in Rheinhessen: "Da sieht es traurig aus. Neulich hatten wir zu Hause Besuch von zwei Mädchen. Sie haben erzählt, dass sie am Vormittag schwimmen waren. Draußen. Bei niedrigen Außentemperaturen und reduzierten Wassertemperaturen. Sie waren total verfroren und hatten danach dann auch Schnupfen bekommen. So etwas geht nicht. Wir brauchen dringend Wasserflächen. Und wir müssen die vorhandenen Wasserflächen so umbauen, dass sie energetisch sinnvoll genutzt werden. Da müssen energetische Konzepte her. Zum Teil sind die Schwimmbäder Energieschleudern, weil kein Geld da ist, um diese auf einen modernen Stand zu bringen. Also werden sie irgendwann geschlossen, dann ist es vorbei mit dem Schwimmenlernen. Und dann wird ein gesetzlicher Grundauftrag nicht mehr erfüllt. Bei jeder Erhebung kommt heraus, dass wir mehr Wasserflächen brauchen. Zudem müssen im Winter die Lehrschwimmbecken offen bleiben, und zwar so, dass man auch tatsächlich ins Wasser gehen kann."
... über die Entwicklung bei den ehrenamtlichen Trainern: "Auch da sieht es schwierig aus. Wir haben eine Kampagne zur Unterstützung der Trainerausbildung, dazu kamen bisher rheinhessenweit gerade einmal fünf Anträge. Das zeigt die Situation. Während die Zahlen bei den Ehrenamtlichen im Vereinsmanagement stabil sind, fehlen den Vereinen die Trainer. Wir haben in einigen Abteilungen einen Run auf die Jugendarbeit gehabt. Die Vereine mussten jedoch die Listen schließen, weil sie keine Hallenkapazitäten und keine Trainer gehabt haben. Da herrscht Nachholbedarf, aber es gibt gute Ideen. Viele Fachverbände bieten Assistenztrainerausbildungen zum Reinschnuppern für ganz junge oder noch unerfahrene Leute. Wir sind auch daran, unser Ausbildungsmodell zu überarbeiten und versuchen zum Beispiel mobile Teams aufzubauen, die bei den Vereinen vor Ort Trainer schulen."