Bei Strom und Gas fallen die Preise – aber nicht für alle

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Ein Wechselstromzähler zeigt den aktuellen Zählerstand für den Stromverbrauch in Kilowattstunden an.
© Hauke-Christian Dittrich/dpa

Die große Energiekrise ist vorbei: Strom- und Gasversorger locken Neukunden mit erstaunlich günstigen Tarifen. Woran liegt das – und was sollten Verbraucher jetzt tun?

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Region. Wer derzeit auf Vergleichsportalen nach einem neuen Strom- oder Gaslieferanten schaut, wird staunen: 26 oder 27 Cent kostet die Kilowattstunde (kWh) Strom bei den günstigsten Anbietern, 8 bis 9 Cent sind es beim Gas. Wir erinnern uns: Im Herbst 2022 wurden bis zu 80 Cent für Strom aufgerufen, beim Gas kletterte der Preis weit über 30 Cent. Und nahezu alle Experten sagten anhaltend hohe Preise voraus. Doch hat sich diese Prognose als falsch erwiesen. Was ist da passiert?

Der Strompreis ist um 60 Prozent gesunken, der Gaspreis sogar um 75 Prozent

„Die Strompreise für Neukunden befinden sich nach knapp zwei Jahren wieder auf dem Niveau vor Beginn der Energiekrise, seit ihrem Allzeithoch sind sie um 60 Prozent gesunken.“ Zu diesem Ergebnis kommt eine Auswertung des Vergleichsportals Verivox. Noch stärker sei der Preisverfall bei Gas, die Neukundentarife seien hier auf ein Viertel zusammengeschmolzen.

Schaut man auf die Strompreise, kostet eine Kilowattstunde für Neukunden im Schnitt aktuell 28,28 Cent. Das ist kaum mehr als vor dem Oktober 2021 (28,04 Cent/kWh), als die Preise zu steigen begannen. Seit ihrem Hoch im September 2022 (70 Cent/kWh) haben sie somit um 60 Prozent nachgegeben. Doch ist das nur die halbe Wahrheit. Im örtlichen Grundversorgungstarif kostet eine Kilowattstunde derzeit im Schnitt 48,67 Cent, deutlich mehr als im Herbst 2021 (33,82 Cent).

Auf die Grafik schauen und die Preisentwicklung an den internationalen Energiemärkten vergleichen

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Nicht alle Strom- und Gaskunden können schnell wechseln

Vorigen Herbst waren die weniger schwankenden Grundversorgertarife für viele der Rettungsanker. Inzwischen hat sich der Markt jedoch normalisiert, weshalb sie wieder am oberen Ende der Preisskala stehen. Der Vorteil ist: Die Grundversorgung kann mit einer Frist von zwei Wochen gekündigt werden – und der Umstieg auf einen Neukundentarif lohnt sich allemal. „Viele private Haushalte können die Stromkrise so hinter sich lassen“, sagt Thorsten Storck, Energieexperte bei Verivox, zur Entwicklung.

Das gilt nicht für Kunden, die während der Krise Laufzeitverträge abgeschlossen haben. Wer sich zum Beispiel im Januar beim Strom mit 45 Cent auf zwölf Monate gebunden hat, muss nun entsprechend lange zahlen. Solche Verträge spiegelten die Preiserwartung im Winter wider; auch die Versorger haben sich damals mit teurem Strom eingedeckt, den sie jetzt liefern.

Beim Gas ist die Entwicklung ähnlich, wenn auch auf höherem Niveau. Mit 8,63 Cent/kWh liegen die Neukundentarife laut Verivox derzeit gut 37 Prozent über dem Niveau im Oktober 2021 (6,28 Cent). Zum Vergleich: Im September 2022, auf dem Höhepunkt der Krise, waren es im Schnitt 33,99 Cent. Diese Horrorkonditionen waren der Auslöser für die später von der Politik beschlossenen Preisbremsen für Gas und Strom.

Auch beim Gas ist die Krise teilweise noch in den örtlichen Grundversorgungstarifen abgebildet. Hier kostet eine Kilowattstunde derzeit im Schnitt 15,83 Cent – was deutlich über der Gaspreisbremse von 12 Cent liegt. Damit ist Gas im Grundversorgungstarif immer noch mehr als doppelt so teuer wie vor der Krise (7,66 Cent/kWh).

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Bleibt die Frage, warum die Preise für Strom und Gas sich nach einem chaotischen Jahr wieder einigermaßen normalisiert haben. Zur Erklärung ein Blick zurück: An den internationalen Märkten schossen die Preise vor knapp einem Jahr in die Höhe; Ende August 2022 wurde die Megawattstunde Gas für 340 Euro gehandelt, für Strom waren es 1000 Euro. Zum Vergleich: Derzeit werden beim Gas gut 50 Euro und beim Strom zwischen 140 und 150 Euro aufgerufen (jeweils Kontrakte für 2024); starke Schwankungen gibt es seit Monaten nicht mehr.

Vor einem Jahr herrscht Panik an den Energiemärkten

Treiber beim Strom war vor einem Jahr das Gas, weil es über die Gaskraftwerke die Preisbildung stark beeinflusst. Und am europäischen Gasmarkt war die Lage dramatisch: Russland hatte seine Lieferungen komplett eingestellt, genügend Flüssiggasterminals für die Anlandung von Ersatz gab es noch nicht. Gleichzeitig zahlte Deutschland am Markt fast jeden Preis, um seine sträflich leer gefahrenen Gasspeicher rechtzeitig vor dem Winter voll zu bekommen.

Und heute? Die ersten deutschen Flüssiggasterminals sind in Betrieb, Deutschland hat den Gasverbrauch stabil um ein Fünftel gesenkt, die Gasspeicher sind nach einem eher milden Winter schon jetzt bestens gefüllt – am 15. Juli laut Bundesnetzagentur zu 83,85 Prozent. Deshalb spricht zurzeit nichts für eine neue Preisrallye an den Gasmärkten – was sich wiederum beruhigend auf die Strompreise auswirkt. Insofern sind die Aussichten auch für Verbraucher zumindest kurz- und mittelfristig nicht so schlecht.