Das Paul-Ehrlich-Institut erteilte dem Mainzer Spezialist für Immuntherapien die Genehmigung für Tests für einen Corona-Impfstoff. Für diese Tests braucht das Unternehmen Freiwillige.
Von Ralf Heidenreich
Leiter Redaktion Wirtschaft
Der Mainzer Biopharma-Spezialist BioNtech.
(Archivfoto: Harald Kaster)
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BERLIN / MAINZ - Biontech setzt sich im weltweiten Wettlauf um einen Impfstoff gegen die vom Coronavirus verursachte Lungenkrankheit Covid-19 mit an die Spitze – und gibt im Kampf gegen die Krankheit neue Hoffnung. Wie das Unternehmen mitteilte, hat das Paul-Ehrlich-Institut als zuständige Behörde dem Mainzer Spezialisten für Immuntherapien die Genehmigung für klinische Studien eines Impfstoffprogramms erteilt – als erstem Unternehmen in Deutschland. Biontech kann damit nun wie geplant hierzulande mit Tests an gesunden Menschen beginnen.
Wie Biontech und der Kooperationspartner Pfizer, der zweitgrößte Pharmakonzern der Welt, weiter mitteilten, wird auch in den USA „in Kürze“ die Genehmigung der Börden für das Impfstoff-Programm, das intern den Namen „BNT 162“ trägt, erwartet, so dass man dort ebenfalls mit klinischen Studien starten wird. „Wir freuen uns, dass wir nun bald diese erste Studie am Menschen beginnen werden. Die Geschwindigkeit, mit der wir von der Initiierung des Programms bis hin zum Beginn der Studie voranschreiten konnten, spricht für das hohe Engagement aller Beteiligten”, sagte Biontech-Chef Ugur Sahin. In China, wo man mit dem Unternehmen Fosun Pharma zusammenarbeitet, soll es ebenfalls klinische Tests am Menschen geben.
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RNA-Impfstoff
Bei der Impfung mit einem Boten-RNA-Impfstoff (Ribonukleinsäure) wird nach Darstellung des Paul-Ehrlich-Instituts die genetische Information für den Bau eines ungefährlichen Erregerbestandteils mittels Injektion beispielsweise in den Muskel verabreicht. Die RNA wird in einige Körperzellen der geimpften Person aufgenommen. Diese Körperzellen nutzen die genetische Information der RNA zum Bau des Erregerbestandteils. Die so im geimpften Menschen produzierten Erregerbestandteile sind nicht infektiös und lösen auch keine Erkrankung aus. Das menschliche Immunsystem erkennt den fremden Erregerbestandteil und betrachtet die Zellen, die diesen Erregerbestandteil gebaut haben, als vermeintlich infizierte Zellen. Es baut eine schützende Immunantwort gegen den Erreger auf, die im Falle einer Exposition die Infektion oder zumindest die Infektionskrankheit verhindert oder ihren Verlauf abmildert.
Auch bei der Genehmigung ging es rasend schnell. Nach Angaben des Paul-Ehrlich-Instituts (PEI) konnte die Behörde „durch eine intensive wissenschaftliche Beratung“ im Vorfeld das Genehmigungsverfahren in nur vier Tagen abschließen. „Die Erprobung von Impfstoffkandidaten am Menschen ist ein wichtiger Meilenstein auf dem Weg zu sicheren und wirksamen Impfstoffen gegen Covid-19 für die Bevölkerung in Deutschland und darüber hinaus“, teilte das PEI mit.
Malu Dreyer, Ministerpräsidentin Rheinland-Pfalz, freut sich über diesen Fortschritt: „Das ist ein kleiner Hoffnungsschimmer. Biontech ist ein Unternehmen, auf das wir sehr stolz sind. Dass Biontech bei der Erforschung eines Corona-Impfstoffes so weit vorne dabei ist, ist ein gutes Signal für den Forschungs- und Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz.“
Doch wie schnell kann der Impfstoff zur Verfügung stehen? Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) spricht mit Blick auf Biontech zwar von einem guten Signal. Es werde aber noch Monate dauern, bis tatsächlich ein Impfstoff zur Verfügung stehen könne, schränke er ein. Nach Einschätzung von PEI-Präsident Klaus Chichutek wird es mindestens ein Jahr, wahrscheinlich sogar anderthalb Jahre dauern, bis ein Impfstoff breit verfügbar sein wird. Wenngleich die Entwicklung bei Covid-19 generell, natürlich bei Einhaltung der notwendigen wissenschaftlichen Anforderungen, „zielgerichtet beschleunigt wird, um eine zeitnahe Verfügbarkeit dieser Arzneimittel zu ermöglichen“, so das PEI. Das PEI geht aktuell davon aus, dass in den nächsten Monaten noch weitere klinische Prüfungen von Covid-19-Impfstoffkandidaten anderer Unternehmen beginnen werden. „Für die Bekämpfung der Pandemie werden mehrere Impfstoffprodukte notwendig sein, um eine ausreichende Versorgung sicherzustellen“.
Getestet werden bei Biontech im genehmigten Verfahren den Angaben zufolge vier verschiedene Varianten des Impfstoffprogramms, rund 200 gesunde Menschen im Alter von 18 bis 55 Jahren nehmen teil. Gesucht wird zum einen die optimale Dosis, zum anderen sollen die Sicherheit, Verträglichkeit und die sogenannte Immunogenität des Impfstoffes untersucht werden. Die Studie soll Ende April beginnen, erste Daten sollen im Juni vorliegen. Sollten diese ersten Tests positiv verlaufen, sollen mehr Probanden und auch Risikopatienten in die Prüfung einbezogen werden.
Unter Immunogenität versteht man die Eigenschaft eines Stoffes, im menschlichen Körper eine Reaktion des Immunsystems auszulösen. Biontech setzt bei der Impfstoffentwicklung nämlich auf synthetische, also künstlich hergestellte Boten-RNA (Ribonukleinsäure). Sie dient sozusagen als Informationsträger, um eigens entwickelte Bauanleitungen für spezielle Proteine in den Körper einzuschleusen, mit denen das Immunsystem Erkrankungen ganz gezielt und individuell bekämpfen kann. Nicht nur das Coronavirus, sondern auch Krebs oder die Grippe.
Seit Ausbruch der Covid-19-Epidemie sind nach Angaben des Verbands forschender Arzneimittelhersteller mindestens 80 Impfstoffprojekte angelaufen, vier Wirkstoffe werden demnach bereits in klinischen Studien in China und den USA getestet. In Deutschland werden nach Angaben von PEI-Präsident Klaus Cichutek in diesem Jahr voraussichtlich insgesamt vier klinische Studien mit einem Impfstoffkandidaten starten.
Infektionen in der Region
Die folgenden Karten zeigen die Anzahl der bestätigten Corona-Infektionen in Rheinland-Pfalz sowie in Hessen – aufgeteilt nach Landkreisen und kreisfreien Städten. Grundlage sind die Daten des Robert-Koch-Instituts (RKI). Ein Klick zeigt die genauen Zahlen.